Sonntag, 26. Mai 2013

Erklärung der Bürgerorganisationen von Perm: Permer Bürgerkammer, regionales Permer Menschenrechtszentrum, Bürgerzentrum für Analyse und unabhängige Forschungen (Zentrum GRANI), Zentrum zur Unterstützung demokratischer Jugendinitiativen (Jugendorganisation von Memorial)


In den letzten Wochen sind auch die Permer Nichtregierungsorganisationen umfassenden Kontrollen durch die Staatsanwaltschaft unterzogen worden. Ergebnis war, dass sie die Anweisung erhielten, sich als „ausländische Agenten“ registrieren zu lassen, da sie politisch tätig seien und finanzielle Förderung aus dem Ausland bekämen.[1] – Bisher hat sich keine NGO bereit erklärt, eine solche Registrierung zu beantragen.


Die Staatsanwaltschaft der Region Perm hat unseren Organisationen die Aufforderung übermittelt, uns aus „ausländische Agenten“ registrieren zu lassen.

Allen, die uns kennen, erklären wir hiermit: Unsere Organisationen werden sich nicht als „ausländische Agenten“ registrieren lassen, weil weder wir noch unsere Organisationen irgend jemandes Agenten sind, schon gar keine ausländischen. Niemand kann und wird uns zum Schaden Russlands instrumentalisieren. Wir sind freie Menschen, die ihrem Land ergeben sind, die Ehre haben, in verantwortlichen gesellschaftlichen Organisationen zu arbeiten und sich nie am Kampf um die Macht beteiligt haben. Uns selbst als „ausländische Agenten“ zu bezeichnen, wäre für unsere Organisationen beleidigend und unwahr.

Bei Anträgen auf Förderung durch internationale Stiftungen lassen wir uns ausschließlich von unseren eigenen Vorstellungen über die Aufgaben unserer Organisationen und das Gemeinwohl leiten. Wir respektieren die russische Verfassung, halten sie ein und sind davon überzeugt, dass wir alles, was wir tun, zum Wohl unseres Landes und seines Volkes tun.

Wenn jemand dagegen meint, dass wir durch unsere gesellschaftliche, bürgerliche oder fachliche Tätigkeit unserem Land Schaden zufügen, dann muss er diesen Schaden ernsthaft, hieb- und stichfest unter Beweis stellen. Die Justiz- und Sicherheitsorgane haben alle Möglichkeiten, entsprechende Untersuchungen durchzuführen. Sollten sie tatsächlich bei uns Anzeichen einer “feindlichen Tätigkeit“ feststellen, könnten sie uns nach aller Strenge des Gesetzes und nach allen Regeln für eine transparente, alle Standpunkte berücksichtigende gerichtliche Auseinandersetzung zur Verantwortung ziehen.

Was die „ausländische Finanzierung“ betrifft, so gibt es hier nur ein generelles, allgemein anerkanntes Verbot: Sie darf nicht zu politischen Zwecken eingesetzt werden, d. h. nicht für den Kampf um die Macht. Es ist bekannt, dass unsere Organisationen sich niemals am Machtkampf beteiligt haben – sie haben weder eigene Kandidaten aufgestellt noch andere Kandidaten für Regierungsposten unterstützt, sie haben nicht am Wahlkampf teilgenommen und arbeiten nicht mit Parteien zusammen.

Der Zwang, uns als „ausländische Agenten“ registrieren zu lassen, ist für uns gleichbedeutend mit dem Zwang, uns zu „Vaterlandsverrätern“ zu erklären. Außerdem ist es unsere feste Überzeugung, dass eine Organisation, die sich zum „ausländischen Agenten“ erklärt, nicht das moralische Recht hat, öffentliche Interessen zu vertreten, Bedürftigen rechtliche und soziale Unterstützung zu leisten, Bürgerkontrolle auszuüben und viele andere Dinge zu tun, die für uns und andere wichtig sind. Eine Organisation, die ein „ausländischer Agent“ ist, hat nicht das Recht, älteren Menschen zu helfen, deren Angehörige seinerzeit ungesetzlich verfolgt worden sind, und zwar mit genau derselben Formulierung – nämlich als „ausländische Agenten“. Wir können keiner Bezeichnung zustimmen, die irgendwem vielleicht akzeptabel scheinen mag. Andernfalls müssten wir die Tätigkeit beenden, der sich jede unserer Organisationen widmet.

Gesetz ist Gesetz. Wir werden alle gesetzlichen Mittel ausschöpfen, um auch vor Gericht zu beweisen, dass wir keine „Agenten“ sind. Zugleich werden unsere öffentlichen Sprechstunden bis zur letzten Möglichkeit arbeiten, unsere Experten werden weiterhin Bürger, gesellschaftliche Organisationen und staatliche Institutionen auf Anfrage beraten. Wir werden alles tun, um alle unsere Pflichten gegenüber den Permer Bürgern und unseren geschätzten Partnern aus dem öffentlichen und staatlichen Sektor zu erfüllen.

Wenn wir alle Prozesse verlieren und unsere Organisationen von den Behörden geschlossen werden, werden wir andere legale Wege finden, das zu tun, was wir für nötig halten. Wir werden uns weiterhin aktiv für den Schutz der Menschenrechte und die aktuellen öffentlichen Interessen einsetzen: sei es für die Korruptionsbekämpfung, für die Unterstützung Bedürftiger, die Verteidigung der Rechte Erniedrigter und Beleidigter oder die Verbesserung von Qualität und Erreichbarkeit staatlicher Dienstleistungen.

In unserem Land leben Menschen unterschiedlicher Glaubensbekenntnisse, Weltanschauungen und Ideologien. Wir unterscheiden uns von denen, die heute die Politik unseres Staats bestimmen. Wir denken anders als sie und dienen unserem Land auf andere Weise. Aber diese Unterschiede geben niemandem das Recht, uns in Listen „ausländischer Agenten“ einzutragen. Wir werden uns nicht aus der Reihe ordentlicher russischer Bürger und gesetzestreuer gesellschaftlicher Organisationen streichen lassen. Russland ist unser aller gemeinsames Land. Wir müssen lernen, gemeinsam darin zu leben.

Igor Averkiev (Permer Bürgerkammer)
Sergej Isaev (Regionales Permer Menschenrechtszentrum)
Aleksandr Kalich (MEMORIAL)
Robert Latypov (MEMORIAL)
Svetlana Makovetzkaja (GRANI)
Sergej Maximov


[1] Nach dem berüchtigten Gesetz, das seit dem 21.11.2012 in Kraft ist, sollen Nichtregierungsorganisationen, die politisch tätig sind und ausländische Fördermittel bekommen, ihre Registrierung als eine Organisation beantragen, die „die Funktionen eines ausländischen Agenten erfüllt“.

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